Ão Red
ÃO Red
Tejo, Portugal
Himbeere, schwarze Olive, Piniennadeln
herzhaft, saftig, kräuterwürzig
Cozido à Portuguesa, Roggenbrot, in Gochujang marinierter Thunfisch
Unser Wein kommt diesmal aus Portugal, was ein verblüffend seltenes Herkunftsland für die wunderbare Weinvielfalt ist, die es dort gibt. Die Trauben für den roten Ão werden in der Nähe des Tejoflusses nicht weit von Lissabon angebaut. Trincadeira und Castelão heißen die alten heimischen Rebsorten, die es nur in Portugal gibt. Erstere sorgt dabei für Würze und Struktur, letztere für die attraktive Beerenfrucht. Weine wie den Ão reicht man in Portugal zu herzhaften Gerichten wie dem Nationaleintopf Cozida à Portuguesa, zu Kartoffeln, Würsten und grünem Blattkohl.
Ão Red aus Portugal
Portugal ist schon an sich ein faszinierendes Land. Für Portugal als Weinland gilt ganz genau dasselbe. Aber: Nennen Sie doch mal eine Rebsorte, die für Portugal typisch ist. Nein, Vinho Verde ist keine. Oder sagen Sie mal, welchen portugiesischen Wein Sie als letztes getrunken haben. Tatsächlich käme ich bei dieser Frage auch ganz schön ins Schleudern. Was ich damit sagen will: Eigentlich beschäftigen wir uns viel zu wenig mit Weinen aus Portugal. Denn die sind wirklich sehr authentisch und oft für die Qualität auch noch ausgesprochen preisgünstig. Beispiel gefällig? Der Ão Red.
Der Ão vom Tejo
Vor einigen Jahren hatte ich das Glück, im Frühling einen Monat lang in Lissabon arbeiten zu können. Das Fenster meiner kleinen Dachwohnung zeigte dabei direkt nach Süden, so dass ich einen tollen Blick auf den Fluss Tejo hatte. Weil das in der Nähe des Hafens war, konnte ich auf diese Weise Schiffe aus fernen Ländern beobachten, wie sie erst vom Meer den Tejo hinaufgestampft kamen, um meist am nächsten Tag wieder in umgekehrter Richtung auf dem Meer zu verschwinden. Die Zeiten, in denen Portugal die größte Seefahrernation der Welt war, sind zwar schon ein Weilchen her. Aber den Spirit spürt man am Atlantik und entlang der großen Flüsse immer noch sehr stark.
Der Tejo-Fluss durchquert dabei ganz Portugal von Ost nach West. Mit anderen Worten: Man kann nicht vom Norden in den Süden Portugals reisen, ohne den Tejo zu überqueren. In Lissabon geht das vom Stadtzentrum aus mit Fährbooten, weiter oberhalb führen allerlei Brücken über den Fluss. Von dort, nämlich aus dem Weinbaugebiet, das denselben Namen wie der Fluss trägt, stammt unser Wein des Monats. Und weil es so typisch für Portugal ist, heißt er nach diesem nasalen Laut »Ão«.
In Portugal wird es umso heißer und trockener im Sommer, je weiter man sich vom Atlantik in Richtung Landesinneres bewegt. Das Anbaugebiet Tejo liegt dabei sozusagen in der Mitte zwischen den Weinbergen an der Küste und jenen im Alentejo, was wortwörtlich »jenseits des Tejo« heißt. Wegen seiner fruchtbaren Böden wird es auch als »Garten Portugals« bezeichnet. Was die Rebsorten anbelangt, besitzt Portugal eine faszinierende Vielfalt davon, was gleichzeitig Fluch und Segen für die Winzer*innen bedeutet. Segen, weil diese zum Teil uralten und nur dort vorkommenden Sorten für genau die genetische Vielfalt sorgen, die wir uns in der Landwirtschaft ja immer wünschen. Der Fluch besteht ganz einfach darin, dass kaum jemand außer den absoluten Freaks diese Sorten kennt und im Laden danach verlangt. Eine Marketing-Aufgabe also.
Wie schmeckt unser Wein des Monats?
Der Ão besteht hauptsächlich aus den roten Rebsorten Trincadeira und Castelão. Bei letzterem haben wir tatsächlich wieder das »ão«, und sagen Sie bitte nicht, Sie hätten von diesen Rebsorten vorher schon viel gehört. Im Tejogebiet werden sie aber sehr gern zusammen angebaut, weil sie sich gut ergänzen. Castelão ergibt früh trinkreife Weine, die viel Frucht nach wilden Beeren enthalten. Trincadeira hingegen bringt Struktur und kräuterwürzige Aromen mit hinein.
Als ich den Wein ins Glas gebe, erschnuppere ich interessanterweise genau diese beiden Komponenten. Es gibt dunkelrote Waldbeeren ebenso wie einen leicht ätherischen Ton, so etwas Ähnliches wie Piniennadeln. Im Mund ist das schön fruchtig und geschmeidig, der Wein ist sozusagen reif & ready. Neben Himbeere und Brombeere kommen noch etwas Wacholder und schwarze Olive dazu, was natürlich schon die Überleitung darstellt zu der Frage, welche Art von Essen gut zum Ão passen könnte.
...und dieses Essen passt dazu
Nachdem ich einen Monat lang das Mittagsgericht in der Nachbarschaftskantine zu mir genommen habe, kann ich euch versprechen: In Portugal ist das herzhafte Essen zu Hause. Klassischerweise reicht man zu einem Roten wie dem Ão gern »Cozido à Portuguesa«, den Nationaleintopf. Es gibt unzählige Varianten, aber Kohl, Wurst und Kartoffeln sind eigentlich immer dabei. Besonders beliebt ist die vitaminreiche Blattkohlart »couve-gallega«, die ein bisschen unserem Grünkohl ähnelt und tatsächlich sogar im Frühjahr noch gegessen wird. Anders aber als bei uns werden solche herzhaften Gerichte meist mit etwas Olivenöl, auf jeden Fall aber mit würzigen Zutaten wie Knoblauch, Lorbeer, Oregano oder Rosmarin aufgepeppt. Auch abends zum Roggenbrot macht der Ão übrigens eine gute Figur.
Wer mal eine völlig andere Kombination versuchen möchte, die himbeerige Frucht des Weins passt ganz hervorragend zu ...einer scharfen Würzpaste. Man muss ja keinen exzessiven Gebrauch davon machen, aber wenn Sie Gemüse, Fleisch oder Fischstücke in einer Mischung aus beispielsweise Yuzu Pepper Paste und Sojasauce marinieren und anschließend braten, ist die Frühjahrsmüdigkeit im Nu verflogen.
Über den Autor Matthias Neske
Von Rebsorten hatte ich bis zum Abitur noch nichts gehört. Das änderte sich ein paar Jahre später schlagartig, als ich meine Diplomarbeit in Südfrankreich schrieb, genauer gesagt im Städtchen Carpentras unweit des Mont Ventoux. Hier redeten die Menschen ständig über Essen und Trinken, und so kam es, dass ich immer mehr Begeisterung für die uralte Weinkultur entwickelte.
Alles hat eine Bedeutung für den Wein: die Böden, das Klima, die Rebsorten, die Kunst des An- und Ausbaus, eine gleichzeitig verwirrende wie faszinierende Welt, ein Bindeglied zwischen Natur und Kultur. Als ich die kletternden Ranken für mich ein wenig entworren hatte, startete ich im Jahr 2010 mit meinem Blog. Seitdem bin ich leidenschaftlich dabei, anderen Menschen Geschichten über Wein zu erzählen.